Brand Management im Franchising - Teil 2


Die Marke - alter Hut oder neue Wunderwaffe?

von Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla

Werte zu markieren ist nicht neu. Seitdem es Menschen gibt, versuchen sie alles, was ihnen wertvoll erscheint, als Eigentum zu kennzeichnen, um es von Fremdeigentum abzugrenzen. Sei es durch Zäune um Ländereien, durch Brandzeichen auf Rindern oder gar durch die Beringung der Lebenspartner*innen. Die direkte Übertragung dieser Einstellung auf die Wirtschaft brachte im amerikanischen Sprachraum folgerichtig so genannte Brands, also Brandzeichen hervor. Sie sollten den Hersteller und seine Produkte eindeutig kennzeichnen und kommunizieren. Sie standen für die hohe Qualität seines Angebotes. Was hohe Qualität hat, ist wertvoll. Das übertrug sich auch auf das Brandzeichen. Die Folge: Das Vertrauen der Konsumenten in die «Brands» und deren Hersteller wuchs. Vertrauen, das auch auf weitere, neue Produkte oder Vertriebskanäle übertragen wurde. Schließlich kamen auch diese aus gutem Hause. So viel zur Geschichte. Denn, so einfach ist der Umgang mit Marken schon lange nicht mehr.

 

Heute sind Marken fluide Gebilde

Sie sind keine in Beton gegossenen, kristallinen Formen, die einmal erdacht, auf ewig in gleicher Ausstattung und Erscheinungsform existieren. Sie sind fluide Gebilde mit komplexer Struktur. Sie passen sich ständig den verändernden Bedürfnissen und Marktgegebenheiten an. Das ist ihre darwinistische Überlebensstrategie. Die Jahre vom Modell T, einem Auto in nur einer Ausführung, in der Farbe Schwarz, sind vorbei. Die Konsumentenbedürfnisse differenzieren sich ständig weiter aus. Sie entwickeln sich in vielfältige Richtungen weiter. Brands müssen dem gerecht werden, wollen sie erfolgreich sein und national, wie weltweit expandieren.

 

Was ist eine Marke im 21. Jahrhundert?

Was macht sie aus und welche Rolle spielt sie im Franchising? Zunächst einmal ist sie etwas Virtuelles. Auch, wenn sich ihr Markenwert («Brand Equity») real bilanziert lässt. Sie spiegelt nicht die Realität, sondern die Vorstellung von ihr. Sie entsteht durch Wahrnehmung in den Köpfen. Zuerst in den Köpfen derjenigen, die sie erzeugen. Später dann, sehr viel bedeutender, in den Köpfen derjenigen, die der Marke ausgesetzt werden und mit ihr interagieren. Im Franchising sind das sowohl die Franchise-Partner*innen, als auch die Endkunden. Das Markenkapital ist dabei nicht von Beginn an in voller Höhe vorhanden, sondern wird nach und nach erarbeitet. Markenvertrauen wird erst durch wiederholte positive Bestätigung aufgebaut und gefestigt. Es dauert, bis sich ein beständiger Vertrauensvorschuss als positives Vorurteil einstellt. Aber, es gibt Strategien und Stellschrauben, um die Zeit dafür zu verkürzen.

 

Die Köpfe der Franchise-Partner*innen, wie der Endkunden, bilden neben der Größe, der Kaufkraft, Ansprechbarkeit und dem Wachstum des Marktpotenzials, den Ausgangspunkt jeder Marke. Oder besser, die Bedürfnisse, Wünsche, Vorstellungen und Werte dieser Partner*innen und Kunden, ermittelt in so genannten Consumer Insight-Studien. Denn Marken werden, wird die Königsklasse - das Brand Marketing - praktiziert, deckungsgleich auf vorhandene Marktbedürfnisse positioniert. Wie sehr der Kopf, bzw. das Gehirn im Mittelpunkt der zeitgemässen Markenbildung steht, zeigte die verstärkte Konzentration auf neurophysiologische und neuropsychologische Untersuchungsverfahren der Markenwahrnehmung, unter Einsatz der Computer-Tomografie. Marken sind «etwas Psychologisches», deshalb sei es naheliegend, auf das «Wissen aus der Neuropsychologie zurückzugreifen.» [1]

 

Das «Inner Branding»

Inner Branding nennen wir den Ausgangspunkt und die erste Phase des Identitätsaufbaus der Marke («Brand Identity»). Hier geht es um zwei verschiedene, wichtige Dimensionen, die die Marke innerlich strukturieren, festigen und stärken. Sie bilden den Geist und die Seele der Marke. Zum einen, sind es die «einzigartigen Marken-Leistungen». Hierbei geht es primär um das Produktkonzept, um rationale, bewusst wahrnehmbare Produkt-Angebote, Leistungen und Services für Partner*innen und Endkunden. Das Angebots- und Leistungsportfolio der Kategorie wird für den gesamten Brand Marketing-Mix durchdacht, zielgenau auf die ermittelten Partner*innen- und Endkundenbedürfnisse konzipiert und abgeglichen sowie klar definiert. Das heißt, für alle Marketing-Mix-Bereiche, von der Distribution, über den Kontrahierungs-Mix, bis zur Marken-Kommunikation. Auf eine konsistente und ausreichende Einzigartigkeit und Differenzierung zur Konkurrenz ist dabei zu achten. Für welches konkrete einzigartige Markenversprechen der Kategorie soll die Marke explizit stehen?

 

Die Auswahl der «impliziten Marken-Bühne»

Die zweite Dimension des «Inner Branding» stellt die «implizite Marken-Bühne» dar. Hierbei geht es um unbewusste, nicht offen angesprochene Kommunikationsangebote, die den Zielpersonen einen Zusatznutzen bieten, für sie einen besonderen Wert, eine besondere Belohnung darstellen. Welche Werte («Brand Values») und Eigenschaften («Brand Attitudes») der Marke können von den aktuellen und potenziellen Partner*innen und Endkunden als bedeutend erkannt werden und Belohnungen versprechen? Welche Motive üben eine besonders hohe Anziehungskraft aus? Welche kommunikative Bühne ist für die Marke dafür richtig? In welcher Ausprägung, Größe und Stärke? Dieser Bereich ist für das Franchising von besonderer Wichtigkeit. Denn, hier fällt eine Grundentscheidung, wie sich das Kategorieangebot von der Konkurrenz differenziert und in den Köpfen positioniert werden soll, um es möglichst intensiv, oft und erfolgreich markenkonform multiplizieren zu können. Wofür soll die Marke implizit, also unbewusst, unausgesprochen, stehen?

 

Kaffee kann eben in einem französisch, italienisch oder amerikanisch gestalteten Kaffeehaus getrunken werden. Der Ort kann dabei eine Ruhezone darstellen, um dem Großstadtlärm für eine Zeit zu entschwinden, oder aber, für die besondere Belohnung des Tages stehen. Oder er ist ein internationales Kommunikationszentrum, mit Internetanschluss, internationalen Zeitschriften und Nachrichtenagenturzugängen.

 

Das Ergebnis dieses inneren Markenbildungsprozesses stellt die strategische Basis für den gesamten Markenaufbau dar. Je klarer und durchdachter die Markenbasis, das Fundament, konzipiert ist, je eindeutiger die Positionierung und die Marken-Bühne definiert sind, je größer erscheinen die Chancen einer erfolgreichen Markenmultiplikation. Die Markenbasis bildet den Ausgangspunkt für die äußere Markengestaltung. Sie stellt also den Übergang zwischen Marken-Theorie und Marken-Praxis dar.

 

Um an dieser Stelle Informationsverluste zu vermeiden, werden Instrumente und Werkzeuge, wie Brand Briefings, Leitfäden, Handbücher und Workshops zur konsistenten Markenausrichtung eingesetzt. Werden diese durch Informationen des äußeren Markenbildungsprozesses ergänzt, stellen sie wichtige taktische und strategische Arbeitswerkzeuge für Franchisegeber*innen, Franchisenehmer*innen, wie auch für die unterstützenden Agenturen und sonstigen Dienstleistungsunternehmen aus allen Bereichen der Kommunikation dar.

 

Das «Exterior Branding»

Ist der innere Markenbildungsprozess erfolgreich abgeschlossen, steht die zweite Phase des Identitätsaufbaus der Marke an. Exterior Branding nennen wir die «äußere Gestaltgebung». Hier geht es darum, der inneren Markenidentität eine adäquate und konsistente äußere Form, eine äußerlich sichtbare Persönlichkeit, zu geben, die empfunden und erlebt werden kann. Nach dem Geist und der Seele im Inner Branding-Prozess, folgen im Exterior Branding also der Körper, die Massbekleidung sowie die Verhaltens- und Kommunikationsrichtlinien.

 

Das «Brand Design» ist dabei der erste Schritt. Es ist mehr, als das frühere Brandzeichen, unser heutiges Logo. Es umfasst den gesamten gestalterischen Bereich der äußeren Erscheinung, wie Farben, Schriften und visuellen Eindrücke. Aber auch die weiteren sinnlich wahrnehmbaren Bereiche der olfaktorischen, akustischen, haptischen und gustativen Erlebnisebenen. Sie alle sollten markenkonform, das heißt konsistent, mit möglichst hoher Selbstähnlichkeit, entwickelt und aufeinander abgestimmt sein. Der Idealzustand stellt eine Marke dar, bei der klar definiert ist, wie sie aussieht, sich anhört, sich anfühlt, wie sie riecht und schmeckt.

 

Franchise-Outlets, die an jedem Standort in gleicher Art und Weise «markengetränkt» alle Sinne ansprechen, haben eine große Chance als starke, konsistente Marke wahrgenommen zu werden. Hierbei ist jedoch in besonderer Weise darauf zu achten, wann welcher Sinneseindruck vorherrschen sollte und wie hoch das Reizniveau ausfallen darf, damit die einzelnen Sinnesansprachen ihre unbewusste Wirkung optimal positiv entfalten können und sich nicht ins Gegenteil verkehren.

 

«Design Thinking» aus den USA

Die Erfindung des «Design Thinkings» wird Tim Brown, von der kalifornischen Agentur «Ideo», zugeschrieben. Kundenwünsche und Kundenverhalten frühzeitig zu verstehen, ist sein Ansatz, um bereits in der Ideengenerierung sowie in der darauffolgenden Produktkonzeptions- und Entwicklungsphase Designgedanken und -gestaltungen einfliessen zu lassen. Das «Design Thinking» durchdringt dabei den gesamten Forschungs-, Entstehungs-, Implementierungs- und Vermarktungsprozess. Aus unserer Sicht ist es «Brand Marketing» im besten Sinne, also das Denken und Agieren von den Bedürfnissen und der Marke her.

 

In Kombination mit Rapid Prototyping geht es beim Design Thinking im Grunde darum, in interdisziplinären Innovationsteams, in Zusammenarbeit mit (Neu-)Kunden – im Franchising auch mit Franchisepartner*innen – nutzvolle Ideen zu generieren und zu verwirklichen. Per Rapid Prototyping werden diese mit einfachen Mitteln simuliert. So werden Funktionen einer innovativen App beispielsweise bildhaft oder textlich mit Hilfe eines Handy-Kartonmusters dargestellt; um das Handling einer Convenience-Mahlzeit zu testen, wird zunächst mit Legobausteinen eine erste Anmutung vorgestellt und im Sinne des Nutzens und der Marke getestet [2].

 

«Communication Thinking»

Der zweite Bestandteil des Exterior Branding ist die «Brand Communication». Da Markenkommunikation den gesamten Markenbildungsprozess umgibt, kann man analog zum Design Thinking auch vom «Communication Thinking» sprechen. An dieser Schnittstelle, zwischen theoretischer Markenstrategie, bzw. -konzeption und der realen, physischen Umsetzung, kommt es besonders darauf an Übertragungslücken («GAPS») zu vermeiden und strategische Definitionen verlustfrei in markenadäquate Signale zu übertragen. Möglich wird das durch klare Brand- und Communication- Briefings. Aber auch, durch die Ausarbeitung von Kommunikationskonzepten, die sowohl sachlich-bewusst zu kommunizierende Informationen und Inhalte zum Produkt- und Leistungsangebot, als auch zu den unbewusst anzusprechenden Motiven beinhalten.

 

Zentraler Ausgangspunkt der Brand Communication ist oft der Markenname. Ihn als Markenzeichen zu schützen, ist neben dem Schutz des Markenlogos, der Corporate Colors oder des Audio Logos wichtig und gängige Praxis. Aber auch eine einzigartige und konsistente Ausgestaltung des Brand Wordings oder der gesamten Sprache («Brand Language») kann empfehlenswert sein. Neben der verbalen Sprache spielt die visuelle Sprache, spielen «Key Visuals» und «Brand Sequences», eine bedeutende imagebildende Rolle. Aber auch der Einsatz neuer, innovativer Medien, Kommunikationskanäle und Kommunikationsformen. Am allerwichtigsten erscheint es, sowohl die Produktkategorie-Informationen, als auch die unbewusste Marken-Bühne, über alle Sinne und Medien hinweg, konsistent und authentisch zu kommunizieren. Nur so wird Markenstärke aufgebaut und gesichert.

 

Wie sich Marken verhalten - das «Brand Behavior»

Der dritte Schritt macht Marken in Bewegung sichtbar und erlebbar. In der Bewegung erst entsteht die wahre Marken-Energie. Wie bei menschlichen Persönlichkeiten auch, spielt deshalb das Verhalten einer Marke eine zentrale Rolle. Wie konkretisiert sich ihr Verhalten? Ist dieses Erlebnis mit den weiteren Markendimensionen konform? Wofür setzt sich die Marke ein? Wie stark? Wie hoch ist die Bewegungsenergie, die Flexibilität und Geschmeidigkeit? Wie hoch die Offenheit, Dialogbereitschaft und Serviceorientierung? Setzt sich die Marke durch ihr konsistentes Verhalten, nicht nur durch ihre Kommunikation, konsequent für Nachhaltigkeit, multikulturelle Offenheit oder Gleichberechtigung ein?

 

Quellen:

[1] Dr. Christian Scheier, Dirk Held, „Was Marken erfolgreich macht Neuropsychologie in der Markenführung“, Haufe Mediengruppe, 2008, S. 9

[2] Literatur: Bellone/Matla: «Praxisbuch Trendmarketing - Innovationskreislauf und Marketing-Mix für KMU», Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2017, S. 256 - 258

 

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