Greenfranchising - nachhaltiger Systemaufbau


Von Prof.Veronika Bellone und Thomas Matla, Bellone Franchise Consulting GmbH/Greenfranchise Lab

1. Nachhaltiges Werte-Bewusstsein

Zwei Megatrends beeinflussen den Franchise-Markt derzeit und werden die Karten für die Zukunft neu mischen. Zum einen ist es das Thema «Nachhaltigkeit», das die Franchise-Wirtschaft in ihren Ausprägungen stark verändert und neue Mehrwerte von Open-Source-Modellen für die ökonomische Nachhaltigkeit bis hin zum ökologischen Fussabdruck in den Mittelpunkt stellt. Zum anderen bringt die «Globalisierung» immer mehr regionale oder länderspezifische Spezialitätenkonzepte auf den «Existenzgründermarkt». Diese werden zur Selbstbehauptung traditioneller Angebote und gegen das Vergessen von Bräuchen und Ritualen konzipiert. Beide Trends sind keine modischen Eintagsfliegen. Sie werden langfristig nachhaltige Wirkungen zeigen. Das Thema Nachhaltigkeit haben beide, als zentrales Element, verinnerlicht.

 

Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla © Bellone Franchise Consulting GmbH
Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla © Bellone Franchise Consulting GmbH

Heute findet eine gesellschaftliche Rückbesinnung auf die menschlichen Tugenden statt. «Ehrlichkeit», «Nachhaltigkeit» und «Wahrhaftigkeit» werden nicht nur in politischen Ämtern, sondern auch in der Wissenschaft und in der Wirtschaft nachgefragt. Vielleicht kommt es sogar zu einem «Zeitalter der Tugenden». Wichtig wird es für Franchise-Systeme auf jeden Fall sein, das sich wandelnde gesellschaftliche Werte-System der aktuellen und potenziellen Kunden und Kundinnen im Auge zu behalten und in der System-Positionierung, im wirtschaftlichen Handeln und der Kommunikation entsprechend zu berücksichtigen.

 

Dass die genannten Strömungen wesentliche Erfolgstreiber für die Franchise-Branche sind, liegt auf der Hand. Mit dieser Wachstumsstrategie lassen sich Werte und Einstellungen, wie sie gerade im Bereich nachhaltigen Wirkens und dem Aufrechterhalten von Traditionen wichtig sind, am stärksten herausarbeiten und weitergeben. Franchising als «Instrument» erhält damit eine vollkommen neue Dimension, mit der sich auch andere Profile von Franchise-Nehmenden ansprechen lassen. Von Menschen, die zwar eine lukrative, einträgliche Selbstständigkeit suchen, aber ebenso eine sinnvolle, den eigenen Wertmassstäben angereicherte berufliche Existenz.

1.1 Vergangenes konzentriert nutzen

«Ich hänge sehr an Ritualen», war einmal der Titel eines Interviews mit Bryan Ferry, dem Sänger und ehemaligen Frontmann der Glam-Rock-Gruppe Roxy Music. Er erzählte darin von den Weihnachtsbräuchen und Weihnachtsritualen, die er, gemeinsam mit Freunden und Verwandten, jedes Jahr zelebriert. Mit Unmengen von Essen, dem Schauen alter Filme im Fernsehen sowie dem Zuschauen des «Hunt Meet oder Boxing Day» (Jäger ziehen mit ihren Pferden und Hunden zur Parade auf) erlebt er Rituale und Tradition als etwas Tröstliches, etwas, das manchmal auch von der nicht immer schönen Realität ablenkt. Eine interessante Schlussfolgerung, die sicher für viele nachvollziehbar ist, denn wir alle pflegen neben den gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Ritualen, auch unsere kleinen persönlichen Bräuche, um uns einen eigenen Rahmen zu schaffen. Alle Kulturen besitzen Rituale und Bräuche. Diese tragen dazu bei, den Alltag zu strukturieren, um sich zurechtzufinden und sich in konzentrierter Form Vergangenes zu nutze zu machen und mit Gegenwärtigem sowie Visionärem anzureichern und zu vergleichen.  Gesellschaftliche Denk- und Verhaltensformen, Gebräuche, Handwerke, Berufe etc. werden durch «Einweihungsrituale» wie Ausbildungen und Lehren über entsprechende Institutionen übertragen. Auch im Franchise-Business machen festgelegte Muster die Besonderheit eines jeden Systems deutlich und ermöglichen die konzentrierte Übernahme von Know-how. Sie geben den Rahmen, um nachhaltig Gemeinsamkeit zu leben und Innovation zuzulassen. Im Franchising sind Rituale und Traditionen in beiden Produktwelten zu finden. Einmal im eigentlichen Geschäftskonzept (Produkt 1). Und zweitens im Franchise-Paket (Produkt 2), dem Konzept der beruflichen Selbstständigkeit. Je eigenständiger sich ein Geschäftskonzept durch markante Gepflogenheiten und Spezialitäten gibt, desto eher besteht auch die Möglichkeit von potenziellen Partnern und Partnerinnen sowie Kunden/Kundinnen identifiziert zu werden. «Unsere Themen heissen gesunder Schlaf, Entspannung, Rücken und Lebensenergie. Das wollen wir nach innen und aussen transportieren. Alles, was wir als Marke Samina dem Kunden an Werten vermitteln, wollen wir selbst konsequent leben.» Günther W. Amann-Jennson, Gründer und Geschäftsführer, Samina-Gruppe.

1.2 Storytelling als zentraler Punkt

Ob, wie bei Godiva, die Tradition belgischer Schokoladenerfahrung in über 80 Ländern in den liebevoll gestalteten Geschäften zelebriert und angeboten wird (www.godiva.com) oder, wie bei La Maison du Pain französische Produkte und Speisen (https://www.lamaisondupain.com/stores). Liebhaber dieser Spezialitäten eint nicht nur die Lust auf etwas Besonderes, sondern auch der zusätzliche Einblick in eine andere Kultur, in andere Bräuche und Rezepturen. Das Storytelling um das Produktangebot ist wichtig und trägt zum Erlebnis bei. Auch hier können potenzielle Franchise-Nehmende einen Mehrwert erwerben, die Nähe zu einem traditionsreichen Produkt oder einer traditionellen Dienstleistung. So kann ein Faible für eine besondere Küche, für Land und Leute, ausgelebt werden, der sich nicht nur im überdurchschnittlichen Engagement zeigt, sondern auch in grösserer Erfüllung – was sich letztendlich auch positiv auf das Geschäftsergebnis auswirkt.

1.3 Erfolg in der Partner*innen-Akquisition und -Integration

Für Franchise-Unternehmen ergeben sich neue Chancen, aber auch neue Herausforderungen. Bei der Analyse des Angebotes kommt es nicht nur auf die Definition von Alleinstellungsmerkmalen an. Eine Unique Selling Proposition (USP) mag aus Kunden- und Partner-/innen-Sicht keine nachhaltige Perspektive bilden, wenn nicht deren Werte-System angesprochen wird. Handelt es sich aber um komparative Wettbewerbsvorteile, die im Vergleich zum Wettbewerb, die Bedürfnisse und Ansprüche der Partner/innen gezielter treffen und darüber hinaus eine wirtschaftlich interessante Existenz bieten, dann kann auch die Akquisition von Franchise-Nehmenden sehr viel erfolgreicher von statten gehen.

 

So wird der Check eines Geschäftskonzeptes auf Franchise-Tauglichkeit, insbesondere wenn man sich als Innovator/in oder Stimulator/in in der Franchise-Branche behaupten will, immer anspruchsvoller. Denn die Bestandsaufnahme der Bedürfnisstrukturen und der angestammten Vorurteile und Wahrheiten im Partner-/innen- wie im Endabnehmermarkt sowie das Eruieren der Rahmenbedingungen im wirtschaftlichen Umfeld müssen für ein stimmiges Konzept bekannt und in nutzbringende Systembestandteile übertragen werden.

 

Um die Franchise-Nehmenden langfristig zu begeistern, sind systeminterne, eigenständige und „sinnstiftende“ Rituale sehr wichtig. Wenn ich als Partner/in erlebe, dass die grundsätzliche Struktur des erwählten Franchise-Systems zwar gleich wie bei anderen ist, der Inhalt aber nicht nur betreffend Geschäftskonzept, sondern auch in den kleinen und grossen Gesten anders ist und einen Mehrwert am Markt schafft, dann bin ich auch bereit, mich dafür persönlich und finanziell zu engagieren. Von einer Corporate Language, über ein spezielles Belohnungs- wie auch Sanktionssystem, vom Umgang mit Ideen der Partner/innen bis hin zu Jahrestreffen, gibt es diverse Möglichkeiten, eine eigene Kultur mit eigenen Bräuchen zu kreieren, um sich wohlwollend von anderen Anbietern zu unterscheiden.

2. Was ist Greenfranchising?

Der Begriff existiert im angelsächsischen Bereich bereits seit mindestens einer Dekade. In den deutschen Sprachraum wurde er 2008 von der Schweizer Prof. Veronika Bellone eingeführt.  Gleichzeitig erfuhr er durch Bellone/Matla eine Inhaltserweiterung und einen Bedeutungszuwachs. Während in den USA Franchise-Systeme, die in irgendeiner Weise naturnah ausgerichtet sind, bereits als „Greenfranchise“ benannt werden, bezieht sich der Begriff im deutschen Sprachraum auf Franchise-Systeme, die bewusst ganzheitlich, nachhaltig agieren. Angelehnt, an den deutschen Nachhaltigkeitsrat, werden dabei drei Nachhaltigkeitssäulen, nämlich die ökonomische, die ökologische und die soziale Nachhaltigkeit sowohl einzeln, als auch in ihrem Zusammenwirken betrachtet.

Greenfranchise-Prinzip by Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla © Bellone Franchise Consulting GmbH
Greenfranchise-Prinzip by Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla © Bellone Franchise Consulting GmbH

2.1 Das Drei-Säulen-Modell

Nachhaltige Entwicklung folgt der Idee, die Formen des Lebens und Wirtschaftens, des Umgangs mit der Natur und mit ihren Ressourcen sowie die sozialen Verhältnisse so zu gestalten, dass sie auf Dauer umwelt- und zugleich sozialverträglich sind. Die gängige Definition des Drei-Säulen-Modells stammt von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt“:

 

„Nachhaltigkeit ist die Konzeption einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension menschlicher Existenz. Diese drei Säulen der Nachhaltigkeit stehen miteinander in Wechselwirkung und bedürfen langfristig einer ausgewogenen Koordination.“

 

Die erste Säule, die ökonomische Nachhaltigkeit, ist aus klassischer Unternehmenssicht am leichtesten zu verstehen. Nur wirtschaftlich nachhaltige Unternehmen überleben langfristig. Doch selbst Franchise-Gebende, die Spezialisten der Standardisierung, Systematisierung und Multiplikation,  verfolgen die notwendigen strategischen Planungen, Implementierungs-, Dokumentations- und Controlling-Maßnahmen oft zu wenig oder zu inkonsequent.

 

Die zweite Säule, die soziale Nachhaltigkeit, hat einerseits die Mitarbeitenden, die Franchise-Nehmenden, die Zulieferer, Hersteller und Kooperationspartner/innen im Blick, andererseits die Endkunden und –kundinnen sowie das gesamtgesellschaftliche Umfeld. Hier übernimmt das Franchise-System mit seiner Markenprofilierung soziale Verantwortung. Es definiert Werte, für die es steht und formuliert ein Leitbild, an dem es sich orientiert und messen lassen möchte. Es fragt sich, ob die Kultur im Unternehmen stimmt und konsequent richtig umgesetzt und gelebt wird. Ob die Kommunikation nach innen und außen Menschen ausgrenzt oder einnimmt. Ob Menschen unannehmbar ausgenutzt werden. Und, was das Unternehmen tun kann, um die Situation heute und für die Zukunft zu verbessern. Diese Verantwortung betrifft die gesamte Unternehmens-Wertschöpfungskette und alle Marken-Touchpoints. Hier geht es also ebenso um die Verhinderung von zum Beispiel Kinderarbeit in Schwellenländern als auch um die Wertschätzung von Arbeitnehmenden im Verkaufs- und Kassenbereich, generell unabhängig vom Geschlecht, von der Religion oder sonstigen kulturellen Zugehörigkeiten. Natürlich geht es auch um die Wertschätzung und das Wohlbefinden der eigenen aktuellen und potenziellen Kundschaft.

 

Die dritte Säule des Nachhaltigkeits-Modells betrifft die ökologische Nachhaltigkeit. Global gesagt stellt sich hier die Frage, ob das Unternehmen umweltkompatibel ist. Verbessert oder verschlechtert es die Umweltbilanz? Leistet es einen positiven oder negativen Beitrag und Impact? Wie kann es für eine bessere Umweltsituation aktuell sorgen und zukünftig vorsorgen?

 

Es geht darum, in allen drei Bereichen ausgewogene Lösungen zu finden und die Konsequenzen, nicht nur im Hier und Jetzt sondern auch für nachfolgende Generationen einzubeziehen.

Überträgt man dieses Nachhaltigkeitskonstrukt auf das Franchising, dann ist neben dem Bewähren des Geschäftskonzeptes auf Nachhaltigkeit auch immer die Frage zu betrachten: Wie kann ich das Franchise-System als solches nachhaltig aufbauen und für Partner/innen aktuell und marktnah halten. Damit bekommt das Partnermarketing im Franchising eine besondere Bedeutung.

2.2 Der Praxisblick

Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang ein relativierender Praxisblick. Es geht beim Greenfranchising nicht so sehr darum, wie KMU´s die Welt retten können. Da es jedoch eine Vielzahl gerade von kleinen und mittelständischen Franchise-Systemen gibt, geht es ganz konkret um die Frage, wie diese Verantwortung für ihr eigenes Tun übernehmen können und wie sich das für sie auch rechnen lässt. So können Franchise-Systeme im Rahmen ihres wirtschaftlichen Handelns Energiekosten einsparen (wirtschaftliche Komponente) und gleichzeitig einen positiven Beitrag für die Umwelt erbringen. Oder durch Schulungen ihre Mitarbeitenden fördern und dabei als Resultat eine erhöhte Arbeitseffizienz erreichen. Wie können Sie Ihr Unternehmens- und Marken-Verantwortungs-Konto heute und zukünftig im Plus halten?

3. Greenfranchising bietet Chancen

Profilierung und Wachstum sind die positiven Chancen eines nachhaltig verantwortlichen Handelns.

Wird Nachhaltigkeit als profilierender Markenwert verankert und gelebt, bietet sie Orientierung für Mitarbeitende, Franchise-Nehmende und die Kundschaft. Hierdurch können diese leichter und nachhaltiger akquiriert sowie gebunden werden. Die Zugehörigkeit zu einer Werte-Gemeinschaft hat ein größeres Bindungspotenzial als rein monetäre Verpflichtungen. Und auch auf die Finanz- und Medienumwelt haben Werte-Gemeinschaften eine größere Ausstrahlung. Sie genießen ein klareres Imageprofil sowie eine stärkere Differenzierungskraft. Wichtig sind bei all dem die Begriffe „Authentizität“, „Glaubwürdigkeit“ und Wahrhaftigkeit“. Vom System formulierte Ansprüche dürfen nicht nur bloßes Lippenbekenntnis sein, sondern müssen von diesem auch erfüllbar sein und dem System aufgrund seiner Aufstellung, seiner Kompetenz und seines Leistungspotenzials auch zugetraut werden können.

 

Wie wird dann Nachhaltigkeit als Markenwert etabliert, um wirklich gelebt zu werden? Zu allererst muss die Marken-Kerndimension nach Analysen präzise definiert werden. Welcher Bereich genau ist in welchem Umfang und welcher Intensität gemeint? Sie sollte sich in der Unternehmensvision, der Mission und dem Leitbild wieder finden, damit auch Bestandteil des Franchise-Manuals sein. Es sollte griffig definiert werden, wie sich Nachhaltigkeit nach außen äußern kann. Durch welche Signale? Hier ist der gesamte Marketing-Mix zu betrachten. Wo ist Energie einzusparen, wo Verpackung? Ist ein Label dafür zu entwickeln? Wo soll dieses eingesetzt werden? Wie wird darüber nach innen und außen in der Werbung und der PR kommuniziert?

 

Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob Nachhaltigkeit für die Franchise-Wirtschaft ein Thema wird, sondern wie jedes einzelne Franchise-System damit umgeht, um die positiven Implikationen möglichst schnell für sich zu nutzen.

3.1 Relevanz des Greenfranchisings

Die erste Veröffentlichung des Rankings der „Best Global Green Brands 2011“, durchgeführt von Interbrand, zeigt dass in Unternehmen nicht mehr nur Profit und zu kapitalisierender Markenwert anerkannt werden, sondern auch „Nachhaltiges Wirtschaften“. Im Zentrum der Untersuchung stand u.a. die öffentliche Wahrnehmung von grüner Unternehmensführung mit einer eingehenden Analyse öffentlich verfügbarer Leistungsdaten zu Umweltaspekten. Bei dem einen oder anderen Unternehmen dürfte dies zu einer gewissen Ernüchterung geführt haben. Denn obwohl viele von diesen internationalen Brands bereits starke Nachhaltigkeitsaktivitäten durchführen und dies in entsprechenden Berichten deklarieren, ist die Kenntnis darum in der Gesellschaft manchmal noch bescheiden – so z.B. bei L’Oreal und HSBC. Nachhaltigkeit wird als Markenwert von innen nach außen etabliert. Als Marken-Kerndimension muss sie nach Analysen präzise definiert werden. Welcher Bereich genau ist in welchem Umfang und welcher Intensität gemeint? Sie sollte sich in der Unternehmensvision, der Mission und dem Leitbild wieder finden, damit auch Bestandteil des Franchise-Manuals sein. Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob Nachhaltigkeit für die Franchise-Wirtschaft ein Thema wird, sondern wie jedes einzelne Franchise-System damit umgeht, um die positiven Implikationen möglichst schnell für sich zu nutzen.

3.2 Nachhaltigkeit als Kern der Unternehmensstrategie

Toyota schnitt im genannten Ranking als Unternehmen mit den besten Werten ab. Das liegt wesentlich daran, dass Toyota nachhaltiges Wirtschaften in der Unternehmensstrategie verankert hat. Die öffentliche Aufklärung und die Interaktion mit der Gesellschaft nehmen einen entsprechend großen Stellenwert ein. Das zeigt einmal mehr: Nachhaltigkeit kann sich nicht nur auf die Ökologie beschränken und sich nicht nur als Projekt verstanden wissen. Nachhaltiges Wirtschaften schließt immer auch die ökonomische und soziale Ebene ein und muss im Bewusstsein der Unternehmung verankert werden. Alle noch so wohl durchdachten Maßnahmen zu verantwortungsvollerem Handeln wirken erst dann authentisch, wenn sie von den Mitarbeitenden getragen werden – was letztendlich voraussetzt, dass diesen die gleiche Wertschätzung entgegengebracht wird. Denn: „Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch wieder heraus“.

3.3 Mehr Resonanz durch nachhaltiges Partnermarketing

Im Greenfranchising umfasst die soziale Ebene zudem noch das gesamte Partnermarketing. Franchise-Partner*innen können die besten Botschafter*innen der nachhaltigen Inhalte des Geschäfts- und Franchise-Konzeptes sein. Das kann aber nur funktionieren, wenn die Grundlagen dafür gelegt sind, um solche Effekte überhaupt zu ermöglichen. Das fängt mit einer entsprechenden Kultur an.

 

Beim Franchise-Unternehmen ISOTEC beginnt Nachhaltigkeit zum Beispiel bei der Auswahl der Partner*innen. „Sie müssen sich mit unserer Linie identifizieren, d.h. unter anderem, dass sie sich als Teil des Teams betrachten müssen“, Horst Becker, Gründer und CEO von ISOTEC. „Wie in einem Sportteam wird bei uns der persönliche Eigennutz zu Gunsten des Gemeinschaftsgeistes zurückgestellt. Letztendlich bringt das die ganze Franchise-Gruppe weiter und die Marke voran, was wiederum allen dient. Zuviel egozentriertes Denken und Handeln vergiftet nicht nur das Unternehmensklima, es schadet dem Gemeinwohl insgesamt. Gemeinschaftlich erlebte Erfolge potenzieren sich“.

 

Bei dean&david, einem kreativen Fast Good-Franchise-Konzept aus München, das mittlerweile über 100 Standorte in der Bundesrepublik verfügt (merkurist.de, 08-2019), zum Beispiel im Kranzler Eck in Berlin, versteht man sich nicht nur als Innovator im Food-Angebot, sondern auch im Bereich sozialer Verantwortung gegenüber Mitarbeitenden und Kooperationspartnern und –partnerinnen. So holt man z.B. in so genannten Kompetenztreffen deren Meinungen und Ideen ein. Eine Maßnahme, die zwar dem Partnermarketing per se inne sein sollte, aber vielfach in Franchise-Unternehmen nicht gelebt wird. „Unser Franchise-System versteht sich als Partnerschafts-Modell, das heißt, es wird jedem ermöglicht, das Konzept aktiv mitzugestalten und weiterzuentwickeln“, so David Baumgartner, Geschäftsführer dean&david Franchise GmbH. „Um Trägheit hinsichtlich zukunftsweisender Entscheidungen zu vermeiden, haben wir ein stetig laufendes Vorschlagswesen und regelmäßige Kompetenztreffen eingeführt. Die Motivation jedes Einzelnen am Erfolg mitzuwirken wird dadurch maßgeblich gestärkt.“

4. Umfassendes Greenfranchising

4.1 Das Prinzip der nachhaltigen Franchise-Entwicklung

Die Franchise-Struktur ist prädestiniert für die Integration des Drei-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit. Allein der Franchise-Aufbau beinhaltet in der Regel die totale Analyse des Geschäftskonzeptes im Rahmen des marktwirtschaftlichen Umfeldes. Es werden Prognosen erstellt über die Konsequenzen einer Zusammenarbeit mit selbstständigen Geschäftspartnern und -partnerinnen und deren Wirken im Markt. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnung werden Hochrechnungen zum Break-even des Systems aufgestellt, in welchem Verhältnis Gebühren und Leistungen stehen müssen, wie die langfristige Partner/innen-Bindung über verschiedene Tools vorgenommen wird und wie ausbaubar das Leistungsangebot ist. Neben dem Potenzial möglicher Partner/innen in Wechselwirkung zum Potenzial möglicher Endabnehmer/innen wird auch die grenzüberschreitende Expansion überprüft. So wird die nachhaltige ökonomische Dimension als Entscheidungsgrundlage für Franchising als Wachstumsstrategie in den meisten Fällen sehr eingehend erarbeitet. Folgend sehen Sie weitere Beispiele auf den drei Nachhaltigkeitsebenen, die für den Franchise-Aufbau bzw. für die Entwicklung inspirierend sein können.

4.2 Open Innovation – ökonomischer Erfolgsfaktor

Updates zur stetigen Belebung des Konzeptes und zur Weiterentwicklung gehören zu den Aufgaben der Franchise-Geber/innen-Zentrale. Viel zu oft werden solche Entwicklungen jedoch inhouse vorgenommen, ohne die Partner/innen, Zulieferanten, Kunden und Kundinnen einzubeziehen. Ein großes Manko, denn gerade durch eine Öffnung nach außen und innen können wertvolle Impulse für wirklich relevante Verbesserungen und Innovationen generiert werden.

 

So hatte z.B. Tchibo für das Non-Food-Sortiment eine Community namens Tchibo ideas (www.tchibo-ideas.de) realisiert, eine Ideenwerkstatt von und für Konsumenten, Designer*innen und Tüftler*innen. Die registrierten Benutzer*innen[8] stellten Aufgaben ein, typische Alltagsprobleme für die eine entsprechende Produktlösung entwickelt werden sollte. Über die Abstimmung „Hot or not“ wählten die Besucher*innen pro Monat die drei besten Aufgaben. Geldprämien für die Gewählten und für gute Lösungen sorgten für einen entsprechenden Anreiz zum Mitmachen. Wurde eine Produktidee in das Tchibo-Sortiment aufgenommen, dann winkten den Erfindenden eine Provision und eine Einbindung in die Vermarktung mit Vorstellung der Person plus Foto. Tchibo hatte damit, neben pfiffigen Produktneuheiten im Sortiment, auch einen guten Insiderblick – was die Menschen verschiedener Altersklassen bewegte, welche Bedürfnisse und Alltagsprobleme sie hatten. Heute hat Tchibo eine modifizierte Plattform, die Impulse und Austausch von und mit Kunden und Kundinnen enthält https://community.tchibo.de/de-de/start Auch Swarovski, international etablierte Marke mit Vertriebsgesellschaften und Lizenznehmenden in über 40 Ländern, hat eine Community für Design-Wettbewerbe installiert. In nur zwei Monaten verzeichnete die Plattform bereits 7,5 Millionen Visits von etwa 1‘650 Community-Mitgliedern aus 48 verschiedenen Teilnehmerländern.[9]

4.3 Partizipatives Partnermarketing

Die nachhaltig soziale Ebene mit einem konsequenten und partizipativen Partnermarketing wird meist zu Beginn der Franchise-Organisation sehr ideell dargestellt, leidet aber zumeist schon in der ersten Phase unter dem Akquisitionsdruck und späterhin im Durchführen konstruktiver Partnermeetings. Dabei bildet gelebtes Partnermarketing beste Voraussetzungen, um das System dynamisch zu halten. Franchise-Nehmende sind diejenigen, die das Geschäftskonzept eigenverantwortlich am Markt umsetzen und 1:1 Informationen vom Markt erhalten. Deren Einbindung in neue Produkte und Entwicklungen sowie der kontinuierliche Austausch von Franchise-Nehmenden und -Zentrale wird noch viel zu gering gehalten – häufig aus Angst vor Kontrollverlust und einem steigenden Anspruchsdenken der Partner/innen. Dass dabei die Motivation der Partner/innen wesentlich gesteigert werden kann, wenn sie sich als mitverantwortlichen Teil des Ganzen fühlen, erfahren z.B. die Franchise-Nehmenden bei PC-Spezialist in Deutschland. Dort ist man bereits schon vor Jahren einen für die Franchise-Branche revolutionären Weg gegangen und hat mit der Open-Source-Software von Wikipedia ein eigenes Wissensmanagement online aufgebaut und kann damit Partner/innen und Mitarbeitende interaktiv beteiligen. Zudem können die Franchise-Nehmenden Ideen im Wiki präsentieren und diese als Franchise-Geber/innen anderen Partnern und Partnerinnen anbieten. Die Franchise-Zentrale bezahlt sogar dafür.

4.4 Greenfranchising – die chancenreiche Herausforderung!

Auf der ökologischen Ebene mit nachhaltigen Ansätzen zu agieren, wie bereits von der verstorbenen Anita Roddick im Franchise-System „The Body Shop“ in den 1980iger Jahren entwickelt, eröffnet noch sehr viel Handlungsbedarf. Obwohl es auch hier sehr bemerkenswerte Ansätze im Bereich der Energie- und Abfallversorgung, des Recyclings und der Einbindung ökologischer wie fair gehandelter Produkte gibt.

 

So entstand z.B. eine internetbasierte Initiative namens „CharityStar“, die als Sponsorengemeinschaft von der I:Collect AG und damaligen  Handelspartnern ins Leben gerufen wurde. Heute zählen mit Marken wie H&M, RENO, Intimissimi, Jacadi, Calzedonia und viele mehr, einige Franchise-Unternehmen zu den Closed-Loop-affinen. CharityStar belohnt wohltätige Projekte, soziale Aktionen und gemeinnützige Ideen und das in mehr als 60 Ländern. Ziel der Unternehmen ist es, zum gemeinnützigen Handeln zu motivieren und durch das Abgeben von ausgedienten Kleidungsstücken und Schuhen gleichzeitig die Umwelt zu schonen. Denn von den fast 150 Millionen Tonnen Kleidung und Schuhe, die weltweit pro Jahr verkauft werden, landen 85% davon auf Mülldeponien oder werden verbrannt anstatt in Produkt- und Materialkreisläufe zurückzufliessen (https://www.ico-spirit.com/de/)

 

Der Multiplikationseffekt des Franchisings kann dazu beitragen, dass Projekte und Aktionen sehr viel rascher im Markt etabliert werden und zu einer interessanten Breitenwirkung beitragen. So lohnt es sich verstärkt, das Thema Nachhaltigkeit aus verschiedenen Beweggründen anzugehen – selbstverständlich in Übereinstimmung mit den Markenwerten und dem Selbstverständnis der Unternehmung. Denn soziale, ökologische und/oder ökonomische Nachhaltigkeit als „Hüftschussaktion“, als kurzfristige Profitsteigerung dürfte im Zeitalter der transparenten Kommunikation und der zunehmend kritisch und wehrhaft eingestellten Verbraucher und Verbraucherinnen eher kontraproduktiv sein.

V. Greenfranchising – Fitmacher für die Zukunft

Greenfranchising im System zu implementieren ist ein Prozess. Und wer sowohl auf dem Partner- wie Endabnehmermarkt erfolgreich sein und bleiben will, wird sein Franchise-System neu durchdenken müssen. Denken in Konsequenzen, stetige Effizienzverbesserung, Partner/innen als Marken- und Kulturbotschafter/innen anzusehen, sind nur ein paar Ansätze, um sich fit zu machen. Es lohnt sich.

Oder wie Prof. Dr. Norbert Bolz von der Technischen Universität in Berlin im GDI-Impuls-Newsletter schreibt. „Am Anfang des 21. Jahrhunderts erkennt unsere Gesellschaft, dass sie nun auch eine innere Balance finden muss – mit einem polemischen Stichwort: soziale Gerechtigkeit… Das große Thema lautet deshalb soziale Nachhaltigkeit.“

 

Die aktuelle Nachhaltigkeitswelle ist viel realistischer. Und, sie umfasst breite Bevölkerungsschichten, länder-, geschlechts- und altersübergreifend. Sie weiß von Unternehmenszwecken und –zielen. Sie weiß auch, dass Unternehmen Gewinn erwirtschaften müssen. Ihr kommt es auf das wie an. Und auf die eventuellen Folgen. Wer ihren Standpunkt und Blickwinkel teilt, wer wie sie denkt, handelt und kommuniziert wird von ihr mit Aufmerksamkeit, Zuwendung und Kauf belohnt. Wichtig ist, ob Franchiseunternehmen diese Entwicklung für sich als relevant erkennen und nutzen können.

 

Wer heute den Nachhaltigkeitstrend wachsam beobachtet, kann vielleicht schon morgen Veränderungen in seinem Unternehmen vornehmen, die ihn übermorgen an die Spitze einer neuen Nachfragewelle bringen, immer eine Nasenlänge voraus. Egal, wie groß das Unternehmen und die eigene Marke ist.

 

So wird Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsvorteil, zur Profilierungsstrategie und zum Akquisitionsargument gegenüber Konkurrenten, Kunden und Partnern. Wenn sie authentisch, wahrhaftig und nachvollziehbar relevant ist, versteht sich. Nur scheinbar grünes Handeln, das so genannte „Greenwashing“, wird in der heutigen multimedial transparenten Zeit schnell als „Pinocchioismus“ entlarvt und durch Kontakt- und Kaufverweigerung gnadenlos abgestraft.

 

Dass der Verzicht auf oder die Missachtung der Nachhaltigkeit Ausschlusskriterien sind und zu klar bezifferbaren wirtschaftlichen Nachteilen führen können, zeigen Beispiele aus den USA. Hier gibt es bereits profilierte Händler, die keine Ware mehr in ihr Sortiment aufnehmen, die nicht Bio zertifiziert ist. Der Anerkennungskampf der unterschiedlichen Zertifizierungsstellen für geprüftes nachhaltiges Engagement scheint auch bei uns diesen Trend zu belegen.

 

Bezogen auf die Markenbildung für Franchise-Systeme ist klarzustellen, dass Nachhaltigkeit zukünftig ein entscheidender, mess- und nachvollziehbarer, wenn auch nicht der einzig relevante Markenwert in der Markenpositionierung zukünftiger Leistungsangebote und Unternehmen sein wird. Hinzu kommen die besondere Qualität und der reale Kundennutzen in der Leistungskategorie, verbunden mit einer faszinierenden und einzigartigen Anziehungskraft. Nur so können Markenbilder aktuell attraktiv und langfristig tragfähig realisiert werden.

Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla 

© Bellone Franchise Consulting GmbH 2020